Auf einen Kaffee mit den Devs – Unhöfliche Unterbrechungen

von Ghostcrawler am March 29th um 4:00pm

„Auf einen Kaffee mit den Devs“ ist eine Blogreihe, die einen Einblick in die Ideen und Diskussionen im Entwicklerteam von World of Warcraft gewährt. In unserem ersten Beitrag hat unser leitender Systemdesigner Greg "Ghostcrawler" Street ein paar Grundregeln festgelegt:

  1. In diesem Blog werden keine Versprechungen gemacht.
  2. Lest nicht zu sehr zwischen den Zeilen.
  3. Keine Beschwerden darüber, dass das Thema nicht das ist, was ihr gerne gehabt hättet.

Sind Zauberunterbrechungen, wie etwa 'Tritt', zu gut? Dieses Argument lässt sich leicht vertreten. Wir glauben, dass ihre einfache Anwendbarkeit und ihre niedrige Abklingzeit eine echte Lawine im PvP losgetreten hat. Weil Unterbrechungseffekte so gut sind, sind Magieklassen, die nicht besonders viele Spontanzauber haben oder nur bedingt mobil sind, klar im Nachteil. Deswegen geben wir Magieklassen oft viele Spontanzauber oder Bewegungsfähigkeiten, und Magieklassen, die darin besonders gut sind (zum Beispiel Frostmagier), sind entsprechend mächtig, während diejenigen, denen diese Fähigkeiten fehlen (zum Beispiel Elementarschamanen), es schwer haben.

Weil Unterbrechungseffekte so gut sind, fühlen sich Klassen benachteiligt, die keine haben, weswegen wir Paladinen und Druiden Unterbrechungsfähigkeiten gegeben haben, wodurch sie wiederum noch beliebter geworden sind. Weil Magieklassen oft viele Zauber verschießen, während sie in der Gegend herumhüpfen, können sie sich Nahkampfklassen manchmal sehr einfach vom Leib halten. Und weil man sich Nahkämpfer oft leicht vom Leib halten kann, können Nahkampfklassen ohne überzeugende Mobilität in Schwierigkeiten kommen, also müssen wir darüber nachdenken, allen Nahkampfklassen gute Mobilität zu geben, was wiederum deren Aktivitätszeit am Gegner erhöht, wodurch Magieklassen noch stärkere Fluchtmechanismen brauchen, damit sie überleben ... und so geht das Wettrüsten immer weiter.

Ihr seht, worauf ich hinaus will? Da Spontanzauber oft so mächtig sind, müssen wir Zauber mit Zauberzeit dementsprechend wahnsinnig mächtig machen, damit sie mithalten können, sonst werden sie im PvP gar nicht mehr zum Einsatz kommen. Aber je mächtiger wir diese Zauber machen, desto wahrscheinlicher wird es, dass wir im PvP Probleme mit Schadensspitzen bekommen, wenn sie mal nicht unterbrochen werden. (Man muss nur einmal schauen, wie viel stärker 'Frostblitz' sein muss, damit Magier gegenüber 'Eislanze' den „langen“ Zauber in Betracht ziehen.)

Alle Unterbrechungseffekte quer durch die Bank abzuschwächen können wir mitten in einer Erweiterung nicht einfach so machen. Jeder Spieler, der sich mit Schlachtzugscontent befasst, kann bezeugen, was für eine wichtige Rolle Unterbrechungseffekte bei aktuellen Begegnungen spielen. Wir müssten fast alle Schlachtzugsbosse umgestalten und viele der Dungeonbosse auch. Darüber hinaus werden Betäubungseffekte wieder entsprechend wichtiger, sobald man die Abklingzeiten von Unterbrechungszaubern erhöht, also muss man auch diesen Balancing-Aspekt berücksichtigen.

Spontanzauber haben ihre Daseinsberechtigung. Wenn ihr in einer Situation seid, in der ihr nicht riskieren wollt, dass eure Zauber unterbrochen werden, weil ihr jemanden verfolgt oder weil ihr selbst verfolgt werdet, dann ist das genau die richtige Gelegenheit für einen Spontanzauber. Aber Zauber mit einer Zauberzeit von 2,5 Sekunden müssen ebenfalls ihre Nische haben und sollten am besten auch den Normalfall ausmachen.

Hier habe ich noch ein Beispiel für die weitreichenden Auswirkungen auf das Spiel, die eine solche Verkettung von Abhängigkeiten haben kann. Im PvE hatten Nahkämpfer immer einen Vorteil bei bewegungsintensiven Kämpfen. Wenn der Boss gekitet werden muss oder generell in Bewegung bleibt, können Schurken und Krieger der Bewegung folgen und weiterhin Schaden verursachen. Der Schaden wird zweifelsohne geringer sein, aber immerhin wird der Großteil ihrer automatischen Angriffe noch das Ziel treffen. Früher hat es für den Schaden eines Gleichgewichtsdruiden oder Feuermagiers das Aus bedeutet, wenn man von ihnen verlangt hat, sich zu bewegen, weil sie dann ihre Zauber unterbrechen mussten. In der heutigen PvE-Situation hat sich diese Verteilung fast völlig ins Gegenteil umgekehrt. Viele Magieklassen können jetzt aus der Bewegung heraus ihre Zauber wirken und müssen dabei nur minimale Schadenseinbußen in Kauf nehmen. Deswegen (und auch aus anderen Gründen) werden Nahkampfklassen manchmal als Risiko bei bestimmten Bossen wahrgenommen. Uns wäre es am liebsten, dass Schlachtzüge zu relativ gleichen Teilen aus Nahkämpfern und aus Fernkämpfern bestehen, und dass solche Gruppen ein Höchstmaß an Flexibilität diesbezüglich haben, wen sie mitnehmen. Es ist in Ordnung, Kämpfe zu haben, in denen Magieklassen die besten Karten haben, aber es muss auch mindestens eine Handvoll Begegnungen geben, an denen die Nahkämpfer so richtig Spaß haben können.

Gibt es hier eine Lektion, die wir uns als Entwickler zu Herzen nehmen sollten? Ich glaube, dass wir es hier mit einer Art von Schmetterlingseffekt zu tun haben – harmlos erscheinende Designs (in diesem Fall kurze Abklingzeiten für Unterbrechungseffekte) können weitreichende Auswirkungen auf alle Aspekte des Spiels haben. Ich weiß nicht, wie das Spiel aussehen würde, wenn 'Zuschlagen', 'Tritt' und 'Windstoß' Abklingzeiten von 30 Sekunden hätten. Ganz sicher müssten wir viele andere Fähigkeiten, Mechaniken und Zahlen abändern, damit es funktioniert. Um es also noch einmal zu verdeutlichen: Eine solche Änderung wird man in absehbarer Zeit nicht sehen. Auf lange Sicht könnte es jedoch die bessere Lösung sein.

Greg “Ghostcrawler” Street ist der leitende Systemdesigner für World of Warcraft. Er kennt den Weg nach R'lyeh.